Deutschland ist Spitzengeldgeber für WHO – Diskussion über Umgang mit sozialen Medien im Pandemiefall
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat beim Weltgesundheitsgipfel in Berlin fast 700 Millionen Dollar (rund 642 Millionen Euro) an neuen finanziellen Zusagen für den Zeitraum von 2025 bis 2028 erhalten.
Dazu kämen die bereits angekündigten Beiträge von 300 Millionen Dollar (rund 275 Millionen Euro) hinzu, erklärte die WHO am Montag. Die Mittel kommen im Rahmen eines neuen Finanzierungsmechanismus zustande, der darauf abzielt, Milliarden Dollar einzusammeln, die schneller und flexibler als üblich eingesetzt werden können.
„Wir wissen, dass wir diese Bitte in einer Zeit konkurrierender Prioritäten und begrenzter Ressourcen vorbringen“, erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. „Deshalb habe ich jeden Mitgliedstaat und jeden Partner gebeten, sich zu engagieren. Jeder Beitrag zählt.“
Nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Deutschland der WHO fast 400 Millionen Dollar über die nächsten vier Jahre zugesagt – davon mehr als 260 Millionen Dollar (240 Millionen Euro) an neuen freiwilligen Geldern.
Soziale Medien im Pandemiefall abzuschalten, ist keine Lösung
Der Kampf gegen Desinformation in den sozialen Medien war eines der Themen am zweiten Tag des Weltgesundheitsgipfels (World Health Summit, WHS) in Berlin.
In einer Gesprächsrunde (ab Min. 33:00) kritisierte die deutsche Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Dr. Ilona Kickbusch die Desinformation in den sozialen Medien und den damit verbundenen Vertrauensverlust gegenüber staatlichen Maßnahmen wie den Impfungen. Das könnte ein künftiges Pandemiemanagement in Gefahr bringen, sagte die 76-Jährige.
Kickbusch ist seit 2008 Leiterin des Globalen Gesundheitsprogramms (Global Health Program) am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung (IHEID) in Genf. Ende 2021 zeichnete sie den WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus mit der Anerkennungsmedaille der Organisation für ihre Verdienste um die globale Gesundheit aus.
Man habe gelernt, dass die Möglichkeit des digitalen Austausches es viel einfacher mache, falsche Informationen zu verbreiten. Entwicklungen, unter anderem auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI), erschwerten es „sehr gebildeten Nutzern“, in sozialen Medien zu unterscheiden, was echt ist und was nicht real ist. Ältere Teilnehmer in der WHS-Runde hätten schon gesagt, man solle doch während einer Pandemie alle sozialen Netzwerke abschalten. Doch sei das keine Lösung. Da habe es während der Pandemie schon einige Beispiele gegeben, sagte sie, ohne aber näher darauf einzugehen.
Strategien zum Umgang mit dem Informationsökosystem
Es müsse verschiedene Strategien geben, um mit dem „Informationsökosystem“ umzugehen. So gebe es auf der Ebene der Vereinten Nationen (UN) einen globalen Pakt im Zusammenhang mit der globalen Transformation. Auf jeden Fall müssten „ernsthafte Diskussionen“ über die Steuerung von Social Media geführt werden. Dazu gehöre etwa eine Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen, mit denen man auch schon während der Pandemie zuverlässig kooperiert habe.
Verlässliche Informationen müssten „an erster Stelle stehen“, doch sei es bisher nicht gelungen, an die Algorithmen zu kommen, die die „Desinformation vorantreiben“. Es sei ein Thema, das besonders wichtig für das Vertrauen sei. Viele Diskussionen – wie die um den Pandemievertrag – würden bewusst mit Desinformationen versehen. Der Zweck sei, ein gewisses Maß an „Chaos und Polarisierung“ in den Gesellschaften zu schaffen und verwies auf Demonstranten gegen die Veranstaltung vor den Tagungsräumen. Dies müsse man berücksichtigen.
Die Vertrauensbildung in Kombination mit der digitalen Transformation, die soziale Medien nutzt, um Vertrauen aufzubauen, müsste zu einer zentralen gesundheitspolitischen Strategie werden. Das gelte aber auch für die Steuerung der sozialen Medien, um Fehlinformationen rund um die Gesundheit entgegenzuwirken. „Wir sind da noch nicht so weit“, so Kickbusch weiter.
Doch mit Blick auf die Vorbereitung kommender Pandemien bzw. deren Vorbeugung werde es von zentraler Bedeutung sein, „dass wir diese Technologien für die Überwachung“ benötigen. Diese Technologien seien hilfreich, um auf Pandemien rechtzeitig zu reagieren, doch müsse man auch ihr „zerstörerisches Potenzial“ berücksichtigen. Abschließend sagte Kickbusch: „Natürlich sprechen wir von Transparenz, wir sprechen von offener Wissenschaft, wir sprechen von der Einbeziehung der Bürger, aber vor allem benötigen wir bei vielen dieser Dinge eine gute Steuerung“.
Der Weltgesundheitsgipfel, ein internationales strategisches Forum für globale Gesundheit, findet bis Dienstag in Berlin statt. Der Gipfel thematisiert etwa die Verbesserung der Gesundheit von Frauen und Mädchen sowie die Eindämmung der aktuellen Ausbrüche von Mpox und des Marburg Virus in Ostafrika. Zudem sollen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit und Nutzen und Risiken von Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitsbereich diskutiert werden.
(Mit Material von Agenturen)
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